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Trendprognose für Herbst/Winter 2025/26

Trendforscherin Christine Boland teilt nicht nur Modetrends, sie erklärt auch, woher sie kommen.

Wir leben in verrückten Zeiten. Die Erde erwärmt sich, es mangelt an den Grundbedürfnissen, die politische Landschaft wird extremer. In dieser herausfordernden Zeit ist laut Boland „Imagineering“ – ein Begriff, den die Trendexpertin geprägt hat – wichtiger denn je.

Es bedeutet, dass trotz der weltweiten Knappheit die Vorstellungskraft eine unerschöpfliche Quelle für kreative Lösungen ist. Es ist sowohl ein Verb als auch eine utopische Vorhersage. Und laut Boland eine schöne Aussicht für Designer, Einkäufer, Einzelhändler, Markenmanager und Vermarkter.

Basierend auf ihrer eigenen Forschung nennt Boland vier große Trends rund um das Thema „Imagineering“ für den Winter 2025-26. Ihre messerscharfe Analyse zeigt, dass Vorstellungskraft in der heutigen Zeit äußerst wichtig ist.

Klassiker im neuen Gewand: „Klassiker neu formulieren“

Bolands erste Trendprognose „Reformulate the classics“ dreht sich genau darum: um die Klassiker. In Zeiten von Überproduktion und Innovationsmüdigkeit, so Boland, gebe es eine Rückkehr zur bestehenden Mode. Anstatt zu versuchen, das Moderad neu zu erfinden, gebe es eine Wiederbelebung von „Symbolen der Freiheit“, sagt sie.

Man denke an XL-Taschen, in die man alles für eine Reise, egal wohin, aufnehmen kann, an zeitlosen Komfort und maßgeschneiderten Essentialismus. Der Trendforscher sieht in diesem Trend auch einen starken Bezug zur Sportbekleidung. Zum Beispiel Kleidung aus dehnbarem Stoff oder den „Tenniscore“-Trend, der aus funktionalen Sportröcken besteht, die Bewegungsfreiheit ermöglichen. Die passenden Farben zu diesem Trend sind Rot, Weiß und Blau.

Neubewertung der Antike: „Antike Intelligenz neu bewerten“

Doch nicht nur die Farben des Sports sind wichtig. „Die Farbpalette der Welt, also Erdtöne wie Braun, Gelb, Orange, Rot, Beige, aber auch warme Naturtöne wie Terrakotta, werden mehr geschätzt“, sagt Boland. Vor allem angesichts der globalen Erwärmung, fügt sie hinzu. Die Trendexpertin zeigt Fotos von Vulkanen, trockenen Wüsten und besonderen Farbkombinationen – wie Blau und Dunkelviolett –, die alle auf der Erdoberfläche vorkommen.

Das bringt sie zur nächsten Trendvorhersage: die „Neubewertung der Antike“. Kurz gesagt: die Wertschätzung dessen, was die Erde ist. Mit ein wenig Empathie kann man sich von der Natur inspirieren lassen. Man denke an die haarigen Schuppen von Insekten, die viele Fransen in Kollektionen inspiriert haben. „Von Tieren inspirierte Haare sind die neuen Fransen“, sagt Boland.

Denken Sie auch an die Formen und Farben eines fließenden Flusses oder Meeres. Doch hier wird es noch düsterer: Die Ölverschmutzung inspiriert die Farbkombinationen Schwarz, Braun und die Verwendung glänzender Materialien wie Lack, wie man in der Kollektion der Modemarke Mowalola sieht.

Kohabitation mit der Technologie: „Science-Fiction neu denken“

Fragen rund um Mensch und Technik werden wichtiger. Wie stehen Menschen zur Technik? Aber auch: Wie kann man Technik nutzen, um beispielsweise sauberes Trinkwasser zu fördern? Mit dem Trend „Reimagine Sci-Fi“ erklärt Boland, dass moderne Science-Fiction-Filme mittlerweile Realität geworden sind. Menschen leben zunehmend neben Computern.

Dies spiegelt sich in Modekollektionen durch den Einsatz von „phygitaler“ Mode wider. Denken Sie an Maison Margielas Tabi-Schuh in Zusammenarbeit mit The Fabricant im März 2024. Ein weiteres Beispiel: die jüngste Modenschau von Louis Vuitton, die vom „Weltraumzeitalter“ inspiriert war. Die Farben, die zu diesem Trend passen, sind „außerirdische Farben“, wie Boland sie nennt. Nämlich: Neongrün, Neongelb, kühle Blautöne, Silber, Metallic und sanfte Farbtöne, die von Wolken inspiriert sind.

Was auch wichtiger werden wird: Mode, die vom Konzept des „kaum Vorhandenseins“ inspiriert ist. Technologische Aspekte wie eine WLAN-Verbindung werden oft als transparent angesehen. Denken Sie an Begriffe wie „Airdrop“ oder Google „Cloud“. Es ist eine „drahtlose Verbindung“, und doch ist sie da, mit Kabeln und allem. Dieser Widerspruch ist in der Mode zu sehen. Denken Sie an sehr leichte, transparente Stoffe über schweren Materialien wie Kunstleder. Aber auch an Farben, die fast holografisch sind und an Lichtschatten erinnern, oder an die Farben, die von einem Computerbildschirm abgegeben werden. Ein Beispiel, das Boland anführt, ist der X-Ray-Trainingsanzug von Adidas, auf den ein Röntgenbild gedruckt ist. Kurz gesagt: Das Zusammenleben mit Technologie ist ein Spiel zwischen Opazität und Transparenz.

Dekonstruktion und Vorstellungskraft: „Fantasie und Realismus verwechseln“

„Wir leben in Zeiten, in denen das Virtuelle zum Leben erwacht und das Physische immersiv wird“, sagt Boland. Als Beispiel nennt die Trendforscherin die Show von Maison Margiela, bei der die Models als lebensechte Puppen geschminkt sind. „Das hat etwas Befremdliches“, sagt sie immer wieder. Das unterstreicht den Trend, den sie für den Winter 2025-26 vorhersagt: „Verwirrende Fantasie und Realismus“. Das zeigt sich in den erstaunlichen Kollektionen, bei denen man sich fragt: „Was sehe ich da?“ Sie sind unheimlich, spielen mit Materialien, platzieren Schleifen an einer anderen Stelle als man es gewohnt ist und sind der Asymmetrie nicht abgeneigt. Der Trend „Dekonstruktion“, wie er in der neuesten Kollektion von Dries van Noten zu sehen ist, ist ein Beispiel dafür.

Es kann entfremdend sein, weil die Realität es ist. Es kann auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden, weil es befriedigend ist, sich Dinge zu eigen zu machen. Es kann übertrieben und menschlich sein. Mit ein wenig Fantasie für den Winter 2025-2026 lässt sich etwas, das auf den ersten Blick fest erscheint, plötzlich leicht ändern. Dafür steht „Imagineering“. Nicht Regeln befolgen, sondern sich neu vorstellen, was man tun würde, wenn es keine Regeln gäbe.

 

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Quelle: fashionunited, Susan Zipp
Fotocredit: Balenciaga AW24, Stella Mc Cartney AW24, Botter AW24, Launchmetrics Spotlight